Revolutionäre Systeme aktualisieren/Tatsysteme konfrontieren I

Der zeitliche Abstand zwischen dem Ursprung von patriarchalen Institutionssystemen und dem Anfang von frauenbewegten, gegen-institutionellen Systemen ist nicht so groß wie es scheint. Auch nicht der zwischen den da einsetzenden ersten revolutionären feministischen Selbstinstitutionalisierungen und deren fortwährenden Aktualisierungen.

In der Kunst wenden sich feministisch geprägte Institutionsdiskurse seit Jahrhunderten gegen machtvolle Universalismen und normative Einsetzungsverfahren. Um den diesen Verfahren inhärenten systematischen Ausschlusstechnologien etwas entgegenzusetzen, begannen sich international Einmischungsstrategien mit widerständigen Handlungskontinuitäten herauszubilden.

Ein Projekt, das nun diesen Zusammenhängen seit dem 19. Jh. für die Situation hierzulande und weltweit nachgeht, ist das seit Februar 2010 im Eingang zur VBKÖ in der Maysedergasse 2, 1010 Wien laufende „tribute to“. Es nimmt dabei – wie alle anderen Veranstaltungen im Jahr des Jahrhundertjubiläums der VBKÖ – Bezug auf ihre historische Herkunft im Außen androzentrischer Institutionstotalitäten bzw. auf neue Anknüpfungspunkte feministischen Widerstandes. Das Projekt interveniert in Form von Postern und mittels Textauszügen aus programmatischen (institutionellen) Schriften aktivistischer Künstlerinnenzusammenschlüsse im öffentlichen Raum.

Das erste Poster war der VBKÖ als erster Künstlerinnenvereinigung Österreichs selbst gewidmet. „Förderung Wahrung Hebung Schaffung“ waren die zentralen Leitbegriffe aus ihrem Programm von 1910. Die der ersten uns bekannten Künstlerinnenvereinigung überhaupt lauteten „to extend the limited, to display, sell“. Sie stammen von der Society of Women Artists (SWA), die 1855 in London gegründet wurde. Der März stand bisher im Zeichen der jüngsten Künstlerinnengruppierung, um die wir wissen, der im Jahr 2000 gegründeten Taiwan Women’s Art Association (WAA). „Fang Fa, Ti Gong, Fa Sheng, Zahn Shi“ („methods, to provide, to voice out, to showcase“) sind Schlagworte, die nicht nur ihre kulturpolitischen Ziele auf den Punkt bringen, sondern auch – wie die Kooperation mit WAA zeigte – dass die Traditionslinien der thematisierten Mobilisierungen sich aufständisch weiter zu aktualisieren haben.

Tatsysteme konfrontieren

Zugleich wird in diesem Jahr jenen pionierinnenhaften Aufbrüchen eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet, die in folgenschwerer Weise mit der Mit-/Täterinnengeschichte der VBKÖ während der NS-Zeit verbunden sind bzw. mit den ungleich involvierten Spektren davon. Solchen, die zunächst ausgelöscht wurden und schließlich im Verlauf der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Österreich auf dem Weg der Funktionalisierung des Vergessens von Auschwitz ganz verschwanden.

Der internationale Frauentag am 8. März 2010 bietet nun einen würdigen Rahmen, zweier Künstlerinnengruppierungen zu gedenken, denen maßgebliche kulturpolitische Leistungen im Dienste der künstlerischen Frauenbewegung in Österreich zuzuschreiben sind, dem Wiener Arbeitsbund (gegr. 1902 als Wiener Kunst im Hause, Abb. oben links) und der Wiener Frauenkunst (gegr. 1926-1938/1946-1956). Beide wurden 1938 durch NS-Gleichschaltungsmaßnahmen aufgelöst und in die nunmehr für den massiven Bruch der bisher beschriebenen Kontinuitäten emanzipatorischer Konzepte stehende VBKÖ „eingegliedert“. Sowohl vom Wiener Arbeitsbund als auch von der Wiener Frauenkunst waren nach vorläufigen Auswertungen während des Nationalsozialismus jedoch nur mehr weniger als die Hälfte der bislang bekannten Künstlerinnen weiterhin in der VBKÖ tätig.

Beiden Netzwerken, ihren institutionentheoretischen Hintergründen und individuellen vertriebenen, emigrierten oder ermordeten Künstlerinnenschicksalen gehen mehrere wissenschaftliche und künstlerische Forschungs- und Publikationsprojekte sowie Veranstaltungen der VBKÖ erstmals auf den Grund. Das Posterinterventionsprojekt „tribute to“ ist eines davon. Es handelt von wegbereitenden, ausgelöschten, vergessenen, aktuellen und zukünftigen kämpferischen Einsetzungsstrukturen frauenbewegter, feministischer künstlerischer Aktivismen weltweit. Insbesondere handelt es erstmals von einer über hundertjährigen solchen Struktur in der Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts in Österreich.

„tribute to“ ist in Projekt von Amanda Amaan und Rudolfine Lackner